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Gedenkfeier erinnert an die Deportation der badischen Juden nach Gurs

Bild: Denkmal am ehemaligen Hauptgüterbahnhof in Pforzheim für die von hier verschleppten jüdischen Bürger

Denkmal am ehemaligen Hauptgüterbahnhof in Pforzheim für die von hier verschleppten jüdischen Bürger

Oberbürgermeister Peter Boch erinnert gemeinsam mit der Jüdischen Gemeinde Pforzheim...

...in einer Gedenkfeier an die badischen Juden, die vor 78 Jahren, am Tag des jüdischen „Laubhüttenfestes" 5701, am 22.

Oktober 1940, von den Nationalsozialisten in das französische Internierungslager Gurs, einem kleinen Dorf am Fuße der

Pyrenäen, verschleppt wurden.

186 Personen im Alter zwischen zweieinhalb und 86 Jahren wurden an diesem Tage hier in Pforzheim gezwungen, den Zug

nach Gurs zu besteigen - ohne Achtung der Person und gegen ihren Willen. Neun weitere ehemalige Pforzheimer kommen

aus umliegenden Städten zum Transport nach Gurs hinzu.

Gestaltet wird die Gedenkfeier vom Chor der Jüdischen Gemeinde, von Rabbiner Michael Jaakov Bar-Lev und und dem

Zeitzeugen Horst Selbiger.

Information zu Horst Selbiger

Horst Selbiger wurde 1928 in Berlin geboren. Er stammt aus einer sehr großen, weit verzweigten jüdischen Familie, die schon

zu Beginn des 18. Jahrhunderts von Westpreußen nach Berlin übergesiedelt war. Sein Vater war Zahnarzt. Als Kind wurde

Horst Selbiger jüdisch erzogen, obwohl seine Mutter keine Jüdin war.

Mit der Einschulung 1934, nur ein Jahr nach der Machtergreifung durch die Nazis, verschärften sich für den damals

Sechsjährigen die Erfahrungen mit einer zunehmend antisemitisch geprägten Umwelt. Ab 1938 besuchte er, bis zu deren

Schließung, die Jüdische Schule. Er musste den „Judenstern" tragen, den Zwangsnamen „Israel" annehmen und ab 1942

Zwangsarbeit verrichten.

Im Februar 1943 kam es zur später so genannten „Fabrik-Aktion": Gestapo und SS riegelten in einer Großrazzia ca. 100

Berliner Betriebe ab und transportierten die dort beschäftigten Zwangsarbeiter auf offenen Lastkraftwagen zu vorbereiteten

Sammelstellen. Unter den Verhafteten war auch Horst Selbiger.
Er wurde in die Synagoge Levetzowstraße gebracht, wo er die Nummer für den Transport in das Konzentrationslager Auschwitz

erhielt und die sogenannte „Vermögenserklärung" ausfüllen musste, die den NS-Behörden die „Verwertung" des Eigentums der

Deportierten erleichtern sollte.

Nach dem berühmt gewordenen Aufstand in der Rosenstraße, bei dem Hunderte „arische" Ehefrauen gegen die Verhaftung

ihrer jüdischen Männer protestiert hatten, wurde er in eine Sammelstelle transportiert und traf seinen ebenfalls verhafteten Vater

wieder. Beide blieben ca. 14 Tage in Haft, dann wurden sie zur Zwangsarbeit bei der Trümmerbeseitigung eingesetzt. Trotz der

sogenannten „Mischehe" seiner Eltern, sind Horst und sein Vater nur knapp der Deportation entgangen.

Wie viele andere Verfolgte, die eine gänzlich andere Gesellschaft errichten wollten, ging Horst Selbiger nach Kriegsende in die

DDR, in der Hoffnung, beim Aufbau eines antifaschistischen deutschen Staates mitarbeiten zu können. Er wurde Mitglied der

SED, besuchte die Arbeiter-und-Bauern-Fakultät, wo er das Abitur ablegte und wurde Journalist.

Er arbeitete einige Jahre in seinem Beruf, kam jedoch immer wieder in Konflikt mit den staatlichen Stellen, bzw. der Zensur,

wenn seine Artikel nicht den Wünschen der Partei, der offiziellen Linie entsprachen. Dennoch wurde er 1964 im Auftrag der

Zeitung „Neues Deutschland" zum Auschwitzprozess nach Frankfurt geschickt. Dort sollte er eine Reportage darüber

schreiben, wie die Bevölkerung über den Prozess denkt. Nachdem bereits zwei Parteiverfahren hinter ihm lagen und ihm das

dritte bevorstand, nutzte er diese Gelegenheit, um sich abzusetzen. Er kehrte nicht in die DDR zurück.

Horst Selbiger ging ins damalige Westberlin, wo auch seine Eltern lebten. Sein Neuanfang in der BRD sollte kein leichter

werden, stand er doch unter dem Zeichen des Kalten Krieges. Das westliche Deutschland war noch an vielen entscheidenden

Stellen durchsetzt von ehemaligen Nazis und Mitläufern, und einem geflohenen Journalisten aus der DDR, ehemaliges SED-

Mitglied dazu, wurden die Türen eher zugeschlagen als geöffnet.
Die Anerkennung als rassisch und politisch Verfolgter musste er in jahrelangen Prozessen erstreiten, weil die zuständigen

Behörden seine journalistischen Arbeiten in der DDR als „gegen die freiheitlich-demokratische Ordnung gerichtet" ansahen.

Sein Antrag auf Entschädigung wegen des zur Nazi-Zeit erlittenenen Unrechts wurde trotz erheblicher verfolgungsbedingter

Gesundheitsschäden abgelehnt.

Horst Selbiger ist bis heute ein politisch engagierter Bürger geblieben und gibt seine Erinnerungen und sein Engagement in

vielen Veranstaltungen als Zeitzeuge weiter. Auf Einladung der Jüdischen Gemeinde Pforzheim und der Stadt Pforzheim wird

Horst Selbiger bei der Gedenkfeier am 21.10.2018 sprechen.
stpf

20.10.2018

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