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Leserbriefe

Historikerstreit in Pforzheim :

Die Veröffentlichung mit dem Titel „Aus dunklen Zeiten – Entstehung und Verbreitung des Nationalsozialismus in Pforzheim“ (Pforzheim 2010) von Markus Speer verdunkelt mehr als sie erhellt:

 

Nachfolgend beispielhaft einige Fehler, was Namen und Schicksale betrifft:

 

-    Auf  S.114 ist ein „Dr. Kuppenheimer“ Arzt am Städt. Krankenhaus, aber: Kuppenheimer hieß richtig Kuppenheim, war bis 1933 Arzt am Krankenhaus Siloah; Dr. Bohnenberger, auch als Jude und Arzt am Städt. Krankenhaus genannt, ist ebenfalls falsch: Falls es einen Dr. Bohnenberger gab, gehörte er nicht zur jüd. Religionsgemeinschaft.

Zwei Seiten weiter liegt der falsche „Kuppenheimer“ auf dem jüd. Friedhof, aber: Als evang. Christ ist er mit seiner Frau Lilly eben im sog. christlichen Teil beerdigt. Die Schicksale anderer Angehöriger der Familie Kuppenheim bis nach Auschwitz fehlen.

 

-         Auf  S. 73 verlässt Werner Reinheimer 1933 Deutschland, aber: W. Reinheimer flieht 1935 nach Brasilien. Speer verschweigt trotz möglichen Wissens die Schicksale anderer Familienmitglieder: Flucht, Vertreibung.

 

-         „Dr. Rödelsheimer“ (S.87) war nicht Inhaber eines Geschäftshauses, sondern Fotograf ohne „Dr.“, jedoch mit einem Schaufenster. Die Schicksale der Familie Rödelsheimer in den Lagern Gurs, Buchenwald und Auschwitz bleiben ausgeblendet.

 

-          Bei Speer (S. 89) steht das Kaufhaus Schocken an der Kaiser-Friedrich-Straße, tatsächlich aber an der Westlichen Karl-Friedrich-Straße. Abgesehen von Fehlern oder  Schlamperei: Die Geschichte der Arisierung des Kaufhauses - heute Galeria Kaufhof - bleibt im Dunkeln, erst recht die Verschleppung der dort Beschäftigten in Konzentrations- und Vernichtungslager.

 

-   Dr. Ascher und Bloch (S. 91) werden angeblich nach Gurs deportiert, dies stimmt für Simon Bloch, aber: Was war mit Dr. Fritzmartin Ascher, wie erging es Simon Bloch ?

 

-   Nach Speer (S.116) habe das Theodor Heuss Gymnasium ab 1933 Dr. Fritz- Todt-Schule geheißen - aber: Das THG gibt es erst seit 1980. Nach Teilung der Friedrich-Oberrealschule (Vorläufer des heutigen Hebelgymnasiums) hieß ab 1942 ein Teil der Schule nach dem Nazi-Reichsminister, um dessen Verbrechen es bei Speer dunkel bleibt.

 

-         Auf  S.118 nennt Speer nur einige im Gefängnis inhaftierte NS-Gegner wie Bührer und Schroth, jedoch: Die Mehrzahl der politischen Gefangenen kommt nicht vor, nicht die inhaftierten Zwangsarbeiter und schon gar nicht die Mitglieder von Réseau Alliance, einer franz. Résistance-Gruppe, 25 von ihnen haben SS-Männer im November 1944 bestialisch gefoltert und im Hagenschieß per Genickschuss ermordet.

 

Bei fehlerhaften Darstellungen und fehlenden Angaben geht es nicht um Meinungen, sondern Tatsachen, die stimmen oder nicht, um Schicksale, die genannt sind oder eben fehlen.

Speer negiert die Forschungen der letzten 20 Jahre, das jüngste von ihm zitierte Werk zu Pforzheim stammt von 1991, aber: Danach ist viel zu Pforzheim vor und nach 1933 erschienen. Sein Forschungsstand insbesondere zur NSDAP in Pforzheim, zu den Schicksalen der jüdischen BürgerInnen, zur Arisierung, zum Widerstand gegen den NS-Terror und zum Thema Zwangsarbeit ist veraltet.

 

Speer unterlässt Hinweise, woher er sein Wissen bezieht, denn Quellen gibt er für historische Artikel an; bei jüngeren Zeitungsartikeln nennt er nicht, wer diese geschrieben hat, wer dort was gesagt hat bzw. wessen Aussagen dort wiedergegeben werden. 

 

Korrektheit und Wissenschaftlichkeit bleiben auf der Strecke: Es fehlen oft die Herkunft der Bilder bzw. die Bildquellen, kaum ein Foto ist korrekt bezeichnet, auch nicht Bilder aus dem Stadtarchiv.

Mit der Negierung der Namen wie z.B. „Baruch“ als Inhaber der Rechte des Fotos auf  S. 59  verschwinden die Opfer der Nazis: Mit dem Bild von Kurt Baruch ist eine Geschichte verbunden, die in die Internierungs- und Vernichtungslager Gurs, Buchenwald, Auschwitz und in die Euthanasie-Mordanstalt Grafeneck führt;

 

Wissenschaftlichkeit fehlt bei Speer, wenn er schreibt: „Viele Pforzheimer unterstützten ihre jüdischen Mitbürger und haben Kinder versteckt“ (S. 117) - die Belege, Beispiele, Augenzeugenberichte für diese bislang unbekannte vielfache Menschlichkeit bleibt Speer schuldig. Richtig ist: Leider unterstützten nur wenige Menschen in Pforzheim ihre jüdischen Mitbürger. Die Rettung jüdischer Kinder aus Pforzheim war eine Sache franz. Protestanten und der Résistance.

 

Schon in den fehlenden Angaben für Fotos liegt Aneignung geistigen Eigentums, also Urheberrechtsverletzung, die Urheber sind tot, sie können sich nicht mehr wehren.

Bei der Veröffentlichung eines Stadtrundgangs mit handschriftlichen Markierungen und Ergänzungen unterlässt Speer die Angabe der Quelle und des Urhebers. Der „Stadtrundgang: AUF DEN SPUREN JÜDISCHEN LEBENS“ ist dann Basis „seiner“ alternativen Stadtführung, alles als eigene geistige Leistung ausgegeben, doch:

Speer hat - ohne mich, den Verfasser dieses Stadtrundgangs, zu fragen oder um Genehmigung zu bitten - sich mein geistiges Eigentum angeeignet und als Eigenleistung veröffentlicht, also geklaut.

Im Impressum behauptet Speer sogar das Urheberrecht für “alle Texte und Bilder“, das er gar nicht hat, und droht eine Strafe an, wenn ich „ohne seine Zustimmung“ den von mir erstellten Stadtrundgang „verwerte“.

 

Auf meine Abmahnung hin wird Speer eine Unterlassungserklärung klarstellen, dass der genannte Stadtrundgang nicht von ihm stammt und dass er sich für die widerrechtliche Aneignung des geistigen Eigentums Anderer entschuldigt, da er gegen Urheberrechtsgesetz § 106 „ohne Einwilligung des Berechtigten“ ein „Werk vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben“ hat.

 

Bei Speer sind Täter weitgehend ungenannt, Schicksale der NS-Opfer bleiben im Dunkeln, Angaben sind  fehlerhaft, es mangelt an Korrektheit, Wissenschaftlichkeit und Auswertung der Forschungsergebnisse seit 20 Jahren, noch dazu  verbunden mit Urheberrechtsverletzung: kein Aufklärung- oder Erkenntniszuwachs, geschmückt mit fremden Federn, die nicht einmal korrekt ausgewertet oder zitiert sind.

 

Gerhard Brändle

Pforzheim 7.12.2010    

 

Zusatz:

Bei einem Interview mit der "Rundschau" gab der kritisierte Historiker Markus Speer handwerkliche  "Fehler" zu, diese würden aber auch anderen Autoren unterlaufen. Er habe zudem "kein umfassendes Werk" über die dunkle Geschichte der NS-Zeit in Pforzheim  abliefern wollen. Aber auch Brändles Darstellung sei " unvollständig und "lückenhaft." So z.B. bei der Frage zu dem Schicksal von Simon Bloch ( war OB von Mühlacker 1945-1947) oder bei der Frage der Arisierung der Pforzheimer Warenhäuser. Hierzu wird auf das Werk von Michail Fundaminski verwiesen

" Geschichte Pforzheimer Warenhäuser" (Stgt,, 2007, S. 508 ff). 

 Er habe die Unterlassungserklärung abgegeben , "um seine Ruhe zu haben;" Gerhard Brändle sei ja zudem im Impressum des Buches mit aufgeführt. Auch der kritisierte  Name "Stadtrundgang auf den Spuren jüdischen Lebens" sei eigentlich rechtlich nicht  geschützt, denn dasselbe machen ja auch viele Städte wie Leipzig, Berlin, Düsseldorf, Klagenfurt, Gelsenkirchen, Gross-Gerau oder Hamm. Er bedauert uns gegenüber die Heftigkeit nun dieses Streits, der "sicher vermeidbar gewesen wäre." Denn es gehe ihm nur darum, auch die junge Generation zum Lesen und damit zum Nachdenken über diese immer noch belastende Zeit zu bewegen.

Antwort von Gerhard Brändle:

 

speer erzählt unfug:

-simon bloch war nie bürgermeister von mühlacker, denn 1945 war er schon tot, der gemeinte ist fritz-martin ascher, früher hilda-gymnasium.

-dass meine darstellung aus dem jahr 1985 unvollständig ist, ist richtig, deswegen habe ich weitere forschungsergebnisse veröffentlicht, siehe literaturliste im netz, auch im netz stolpersteine pforzheim, zeichen der erinnerung, am 27.1.2011 werden weitere folgen - speer bleibt in einer veröffentlichung im jahr 2010 bei 1991 stehen ?

- die unterlagen für eine veröffentlichung der "arisierung" liegen vor, die stadt pfhm mag sie bisher nicht veröffentlichen - kommt zeit, kommt rat, fundaminskis arbeit bietet einen ersten ausschnitt, mein "stadtplan" gibt viele hinweise, die speer abgekupfert hat.

- speer hat nicht den namen "stadtrundgang auf den spuren jüdischen lebens" geklaut, sondern gleich den ganzen plan einschließlich meiner handschriftlichen eintragungen und den damit verbundenen Forschungsarbeiten, eben darin besteht die urheberrechtsverletzung.

- den "streit" habe ich nicht vom zaun gebrochen, hätte mich speer vor einer geplanten veröffentlichung gefragt, hätte ich wie in anderen fällen gesagt: 

"machen sie, schreiben sie eben dazu, von wem das stammt". 

vorschlag:

wie wäre es mit wirklich neuem, nicht wieder aufgüssen?

Autor : Gerhard Brändle 

Zusatz der Redaktion:

Der Hinweis auf Simon Bloch ist tatsächlich richtig,  wir bedauern diesen Fehler, ohne in die rechtliche Würdigung dieses Vorgangs einzugreifen, nur ein Hinweis: Der hier nun kritisierte Plan über die arisierten Geschäfte wurde vor längerer Zeit in der Fritz-Erler-Schule (ohne Namen des Autors) an die Schüler verteilt. Daher hat auch Markus Speer die entsprechende Kopie bekommen, die aber auch nicht ganz vollständig ist.  Richtig ist aber, dass imm Sinne einer Fortschreibung der Stadtgeschichte auch neue Publikationen erscheinen sollen, wenn auch der Ablauf  sicher nicht ganz "glücklich" war, aber daraus kann man ja auch lernen...

RN 

 

 

 

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speer erzählt unfug: -simon bloch war nie bürgermeister von mühlacker, denn 1945 war er schon tot, der gemeinte ist fritz-martin ascher, früher hilda-gymnasium. -dass meine darstellung aus dem jahr 1985 unvollständig ist, ist richtig, deswegen habe ich weitere forschungsergebnisse veröffentlicht, siehe literaturliste im netz, auch im netz stolpersteine pforzheim, zeichen der erinnerung, am 27.1.2011 werden weitere folgen - speer bleibt in einer veröffentlichung im jahr 2010 bei 1991 stehen ? - die unterlagen für eine veröffentlichung der "arisierung" liegen vor, die stadt pfhm mag sie bisher nicht veröffentlichen - kommt zeit, kommt rat, fundaminskis arbeit bietet einen ersten ausschnitt, mein "stadtplan" gibt viele hinweise, die speer abgekupfert hat. - speer hat nicht den namen "stadtrundgang auf den spuren jüdischen lebens" geklaut, sondern gleich den ganzen plan einschließlich meiner handschriftlichen eintragungen und den damit verbundenen Forschungsarbeiten, eben darin besteht die urheberrechtsverletzung. - den "streit" habe ich nicht vom zaun gebrochen, hätte mich speer vor einer geplanten veröffentlichung gefragt, hätte ich wie in anderen fällen gesagt: "machen sie, schreiben sie eben dazu, von wem das stammt". vorschlag: wie wäre es mit wirklich neuem, nicht wieder aufgüssen?

Autor: brändle,gerhard
05.01.2011 - 22.18

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