Rubrikübersicht | Impressum | 25. April 2024


Leserbriefe

Offener Brief an den Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern wegen Abschiebestopp für Afghanen

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Sehr geehrter Herr Renz,

141 Angriffe der Taliban innerhalb von 24 Stunden im Mai, 570 getötete und 1.210 verletzte Zivilist*innen im ersten Quartal -so dramatisch war die Sicherheitslage in Afghanistan schon vor dem Abzug der NATO-Truppen. Mit dem am 1. Mai begonnenen Abzug droht sich die Lage weiter zu verschärfen. Deswegen wenden wir uns im Vorfeld der Innenministerkonferenz an Sie, da es dringenden Handlungsbedarf für einen Abschiebungsstopp,eine Bleiberechtsregelung und für einen schnellen und unbürokratischen Familiennachzug gibt. Schlechte Sicherheitslage droht nach Truppenabzug zu eskalierenLaut Informationen des Spiegel1wurden von einer Delegation des Außen-und Verteidigungsministeriums die Ergebnisse einer Lagebesprechung in Kabul in einem 20-seitigen Geheimbericht festgehalten. Ziel des Berichts war es, mit Blick auf den Truppenabzug verschiedene Krisenszenarien mit Notfall-und Evakuierungsplänen für deutsche Staatsbürger*innen zu entwickeln. Nach dem Bericht sind auch absolute „Worst-Case-Szenarien, wie zum Beispiel ein Bürgerkrieg mit Sturm auf Kabul [durch die Taliban] [...] nicht völlig auszuschließen."Expert*innen des Afghanistan Analyst Networks sprechen von einem hohen Gefährdungspotential für die afghanische Zivilbevölkerung.2US-Außenminister Antony Blinken äußerte gegenüber CNN , Der Spiegel 18/2021 vom 30.04.2021, Gebauer und von Hammerstein, „Stürmen die Taliban Kabul, wenn die Nato geht?".
https://www.afghanistan-analysts.org/en/reports/war-and-peace/as-us-troops-withdraw-what-next-for-war-and-peace-in-afghanistan/. Wird das Land im Bürgerkrieg versinken und die erneute Machtübernahme durch die Taliban drohen. Dramatische humanitäre Lage in Afghanistan
Auch die wirtschaftliche Situation in Afghanistan ist seit langem desaströs und hat sich durch die Covid-19-Pandemie noch weiter massiv verschlechtert. Laut dem stellvertretenden UN-Chef für humanitäre Hilfe hat sich die Zahlder Menschen in Not in Afghanistan von 9,4 Millionen Anfang 2020 auf 18,4 Millionen im Jahr 2021 verdoppelt -bei einer Bevölkerung von 40,4 Millionen. Im März 2021 befanden sich danach fast 17 Millionen Menschen in einer Krise oder einem Notstand der Ernährungssicherheit.Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat bereits am 17. Dezember vergangenen Jahres geurteilt, dass angesichts der gravierenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Afghanistan nunmehr selbst alleinstehenden jungen gesunden und arbeitsfähigen Männerngrundsätzlich ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK zuzusprechen ist, wenn keine besonderen begünstigenden Umstände vorliegen. Das Gericht führt aus: »Derartige Umstände können insbesondere dann gegeben sein, wenn der Schutzsuchende in Afghanistan ein hinreichend tragfähiges und erreichbares familiäres oder soziales Netzwerk hat, er nachhaltige finanzielle oder materielle Unterstützung durch Dritte erfährt oder über ausreichendes Vermögen verfügt«.Das Urteil stellt maßgeblich auf ein Gutachten der Sachverständigen Eva Catharina-Schwörer4ab. Dieses kommt zu dem Ergebnis, dass das Risiko, an COVID-19 zu erkranken, in Afghanistan sehr hoch ist, dass das wenig belastbare Gesundheitssystem an seine Grenzen gebracht wird und dass die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie verheerend sind, so dass ein Rückkehrer aus dem westlichen Ausland selbst auf dem Tagelöhnermarkt keine realistische Aussicht hat, eine Arbeit zu finden, sofern er nicht vor Ort über ein familiäres oder soziales Netzwerk verfügt, welches ihm Zugang zum Arbeitsmarkt verschafft. Abschiebestopp und Bleiberechtsregelung dringend erforderlichMecklenburg-Vorpommern schiebt aus diesem Grunde bereits seit längerem nur noch Straftäter, Gefährder und hartnäckige Identitätsverweigerer nach Afghanistan ab.Wenn es selbst alleinstehenden gesunden jungen arbeitsfähigen Männern in Afghanistan nicht gelingen kann, ihre existenziellen Bedürfnisse (Brot, Bett, Seife) zu befriedigen, müssen Abschiebungen nach Afghanistan aber insgesamt unterbleiben. Dies muss auch angesichts der oben beschriebenen katastrophalen Sicherheitslage gelten, die sich -wie dargelegt -mit dem Abzug der NATO-Truppen verschärfen wird. Der Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern e.V.fordert deswegen schon länger einen bundesweiten Abschiebestopp für Afghanistan gemäß § 60 a,Abs. 1 AufenthG. Unter Berücksichtigung der zu erwartenden verschlechterten Sicherheitslage ist den Betroffenen nach Ablauf von sechs Monaten entsprechend § 60 a,Abs. 1 S. 2 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG zu erteilen.Über diesen Abschiebungsstopp hinaus muss es für die vielen ausreisepflichtigen AfghanInnen in Mecklenburg-Vorpommern nachhaltige Lösungen geben. Jeder Einzelfall ist einer zu viel. Die Folgen 3VGH Baden-Württemberg Urteil vom 17.12.2020, A 11 S 2042/20.4https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/Gutachten-Auswirkungen-der-COVID-19-Pandemie-a
Am 31.12.2020 hielten sich 402 ausreisepflichtige Afghan:innen in Mecklenburg-Vorpommern auf.
Quelle: Landtagsdrucksache 7/5744.
Trotz einer Duldung sind nicht nur ein Leben in ständiger Angst, Perspektivlosigkeit und Armut, sondern auch ein Leben mit geringeren Chancen auf dem Arbeits-und Wohnungsmarkt, in der Bildung und in der Entwicklungpersönlicher Potenziale. Letztlich sind dies auch verpasste Chancen für die Gesellschaft, in der diese Menschen leben. Mit Blick auf die gemeinsame gesellschaftliche Zukunft ist es geboten, diesen Menschen jetzt eine Lebensperspektive zu eröffnen und ihnen die in einem solchen Fall anstelle von Kettenduldungen gesetzlich vorgesehenen Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen. Der Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern fordert deswegen ein gesichertes Bleiberecht auch für jene Afghanen, die nur mit einer Duldung in Deutschland leben.Doch auch Familienangehörige, die sich nach wie vor in Afghanistan aufhalten, müssen bedacht und in Sicherheit gebracht werden. Hierfür muss es auch schnelle und unbürokratische Verfahren im Inland bis hin zu den beteiligten Ausländerbehörden geben. Wir fordern Sie daher auch auf,den Familiennachzug aus Afghanistan zu ihren in Mecklenburg-Vorpommernlebenden Angehörigen mit allen Mitteln zu beschleunigen und zu unterstützen.PM/FR/MP

08.06.2021

· Grüne fordern:
· Staat fördert klimaschädliches Verhalten..
· Kritik am OB wegen offenbar mangelnder Schulsozialarbeit..
· Zum Tag gegen Lärm am 24. April 2024
· Wasser-Radtour mit WiP am Sonntag 28.04.2024 um 14 Uhr


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