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Leserbriefe

Mord an Anna Politkowskaja auch 15 Jahre später nicht aufgeklärt

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15 Jahre nach der Ermordung der Journalistin Anna Politkowskaja erinnert Reporter ohne Grenzen (RSF) an die Gefahren, unter denen regimekritische Medienschaffende in Russland arbeiten.

 


Politkowskaja hatte als Reporterin der Zeitung Nowaja Gaseta vor allem aus Tschetschenien berichtet und war am 7. Oktober 2006 in ihrem Moskauer Wohnhaus erschossen worden. Sie ist eine von mindestens 37 Journalistinnen und Journalisten, die seit Amtsantritt Wladimir Putins wegen ihrer Arbeit getötet wurden. Heute erhält Jelena Milaschina, die für die Nowaja Gaseta weiter Menschenrechtsverletzungen im Nordkaukasus dokumentiert, ebenfalls regelmäßig Morddrohungen, ohne dass sich der russische Staat für ihren Schutz einsetzt. RSF zählt Präsident Putin und Republikchef Ramsan Kadyrow in Tschetschenien zu den größten Feinden der Pressefreiheit weltweit.

„Den Machthabern im Kreml liegt ganz offensichtlich nichts daran, den feigen Mord an Anna Politkowskaja vollständig aufzuklären", sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Immer wieder werden Kolleginnen und Kollegen ermordet, die wie Politkowskaja über Gräueltaten im Nordkaukasus berichten - und der Kreml erklärt unverfroren, er sei für den Schutz dieser mutigen Medienschaffenden nicht zuständig. So etwas dürfen demokratische Regierungen nicht hinnehmen. Sie müssen diese Zustände im politischen Tagesgeschäft immer wieder ansprechen. Denn wer zu solchen Verbrechen schweigt, macht sich mitschuldig."
Drahtzieher des Mordes bis heute im Dunkeln
Anna Politkowskaja war eine der wenigen Journalistinnen, die während des zweiten Tschetschenienkrieges (1966 bis 1999) immer wieder vor Ort in der Teilrepublik im russischen Nordkaukasus recherchierte und Verbrechen der russischen Armee sowie lokaler Milizen dokumentierte. Für ihre Arbeit erhielt sie international zahlreiche Preise. 2001 wurde Politkowskaja von tschetschenischen Paramilitärs entführt, gefoltert und zum Schein exekutiert. 2004 überlebte sie einen Giftanschlag. Am 7. Oktober 2006 wurde die 48-jährige Journalistin im Aufzug ihres Moskauer Wohnhauses aus nächster Nähe erschossen. Mehr als eintausend Menschen kamen zu ihrer Beisetzung in Moskau, darunter allerdings kein hochrangiges Mitglied der russischen Regierung.

Die Ermordung von Politkowskaja ist trotz mehrerer Gerichtsverfahren bisher nicht vollständig aufgeklärt. Zwar wurden bereits kurz nach dem Mord mehrere Männer aus Tschetschenien festgenommen, zunächst jedoch aus Mangel an Beweisen wieder freigelassen. Im Dezember 2012 wurde ein ehemaliger Polizeioberst aus Moskau zu elf Jahren Haft verurteilt. Im Gegenzug für sein Geständnis, die Mordwaffe organisiert zu haben, erhielt er einen Strafnachlass. Im Mai 2014 verurteilte ein Moskauer Gericht fünf Männer - darunter die drei zunächst freigesprochenen Tatverdächtigen - wegen des Mordes zu langen Haftstrafen, zwei von ihnen lebenslänglich.
Mindestens 37 Medienschaffende seit Putins Amtsantritt getötet
Wer die Ermordung Politkowskajas in Auftrag gab, wurde jedoch bis heute nicht ermittelt. Die Familie der Journalistin verwies auf Spuren zum russischen Inlandsgeheimdienst FSB, was russische Ermittlungsbehörden nicht weiterverfolgten. Im Juli 2018 urteilte der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg, russische Strafverfolger hätten nicht ausreichend nach den Auftraggebern des Mordes gefahndet und den Zusammenhang zwischen der Tat und Politkowskajas journalistischer Arbeit nicht untersucht. Das Gericht sprach den Angehörigen eine Entschädigung von umgerechnet rund 20.000 Euro zu.

Anna Politkowskaja ist eine von mindestens 37 Journalistinnen und Journalisten, die seit dem Amtsantritt Wladimir Putins im Jahr 2000 wegen ihrer Arbeit getötet wurden. Fast die Hälfte von ihnen (17 von 37 Fällen) haben über oder aus dem russischen Nordkaukasus berichtet, darunter die Journalistin und Aktivistin Natalja Estemirowa, die am 15. Juli 2009 ermordet wurde. Die Kollegin und Freundin von Anna Politkowskaja hatte ebenfalls Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien dokumentiert. Anfang 2009 wurde Politkowskajas Anwalt, Stanislaw Markelow, der sich für die Rechte tschetschenischer Bürgerinnen und Bürger einsetzte, erschossen.
Morddrohungen gegen RSF-Preisträgerin - Kreml fühlt sich nicht zuständig
Auch Jelena Milaschina, die heute für die Nowaja Gaseta aus Tschetschenien berichtet, wird immer wieder bedroht und angegriffen. Nachdem sie über die Verfolgung Homosexueller in der nordkaukasischen Teilrepublik berichtet hatte, wurde sie im Februar 2020 von etwa fünfzehn Männern und Frauen in der Lobby ihres Hotels in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny überfallen und zusammengeschlagen. Im April 2020 drohte Republikchef Ramsan Kadyrow ihr erneut unverhohlen mit Gewalt und Mord, nachdem sie dessen Corona-Politik kritisiert hatte. Als russische Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten sowie die Europäische Union die Regierung in Moskau aufforderten, den Drohungen nachzugehen und Milaschina zu schützen, erklärte Kremlsprecher Dmitri Peskow, er sehe in den Äußerungen von Kadyrow nichts Besonderes. Der Kreml sei für den Schutz der Journalistin nicht zuständig.

Reporter ohne Grenzen verlieh Jelena Milaschina für den Mut, den sie mit ihrer Berichterstattung beweist, im Dezember 2020 den Press Freedom Award. Den russischen Präsidenten Wladimir Putin und den tschetschenischen Republikchef Ramsan Kadyrow zählt RSF zu den größten Feinden der Pressefreiheit weltweit. Auf der weltweiten Rangliste der Pressefreiheit steht Russland auf Rang 150 von 180 Staaten.

Weitere Informationen über Situation unabhängiger Medienschaffender in Russland finden Sie unter www.reporter-ohne-grenzen.de/russland.
PM

05.10.2021

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